Von Gleichklang bis Disharmonie: Musik und Nation in Osteuropa
Donnerstag, 29.09.2022
Musical Theater and National Politics in Kyiv in the Nineteenth Century
Donnerstag, 29.10.2022, 18:15 Uhr | Prof. Dr. Ostap Sereda This presentation explores the role of the musical theater as a national representative institution, a cultural project, a popular entertainment, and a center of urban sociability in the daily life of an Eastern European metropolis, the city of Kyiv (Kiev, Kijów), under the political conditions of the late Russian empire. Notwithstanding the direct intervention of imperial authorities into the cultural politics in nineteenth-century Kyiv, local actors exercised considerable influence on the musical and theatrical life in the city. This talk focuses on the foundation of permanent Russian opera in 1867, the introduction of Ukrainian professional musical theater in 1882, and also on Polish, Italian and French musical theatrical traditions in Kyiv that generated both cosmopolitan and nationalizing cultural spaces.
Donnerstag, 13.10.2022
Von der «sowjetischen» zur «vaterländischen» Musik: Russischer Nationalismus und klassische Musik in der späten Sowjetunion, 1974–1994
Donnerstag, 13.10.2022, 18.15 Uhr | Dr. Boris Belge (Basel) Komponist:innen in der Sowjetunion verstanden sich selbst als europäische, transnationale Kunstschaffende. Die sowjetische Kulturpolitik förderte im Rahmen des Dogmas von der «Freundschaft der Völker» den übernationalen Charakter von Musik. In den späten 1970er Jahren kam es jedoch zu einer «Explosion des Ethnischen», die auch im Zentrum der Sowjetunion zu einem engstirnigen Russozentrismus führte. Die Komponistin Sofia Gubaidulina und der Komponist Alfred Schnittke mussten mit diesem Paradigmenwechsel umgehen – gerade als sie selbst damit begonnen hatten, ihre Biografien mit Reisen nach Westeuropa und in die USA zu globalisieren. Am Beispiel der spätsowjetischen Musikgeschichte zeigt der Vortrag die Funktionsweise des sowjetischen Kulturlebens, seine Grenzen und Möglichkeiten in einer sich globalisierenden und gleichzeitig nationalisierenden Gesellschaft sozialistischen Typs auf.
Donnerstag, 27.10.2022
Gender, Geopolitics and Nationhood in the Eurovision Song Contest
The ‘performances’ of national identity which occur through the Eurovision Song Contest have always had potential to reveal narratives about gender and geopolitics. Since the mid-2000s, debates about LGBTQ+ rights in central and eastern Europe have provided a particularly prominent frame for making sense of the politics of Eurovision. With Conchita Wurst’s famous victory now eight years old, this lecture asks how the relationships between gender, sexuality, nationhood and Europeanness we can perceive through Eurovision stand today.
Donnerstag, 10.11.2022
Liederfeste als singende Revolutionen? Chormusik und Nation-building im Baltikum am Beispiel Estlands
Die Liederfeste in den baltischen Staaten gehören zum UNESCO Weltkulturerbe. Inwieweit kann der Beitrag dieser Tradition zur Entwicklung nationaler Identitäten bestimmt werden? Wie deutlich treten diese Feste als musikalischer Ausdruck des Wunsches nach Freiheit und Selbstbestimmung hervor? Mit diesen Fragen wird sich der Vortrag von Karsten Brüggemann beschäftigen.
Donnerstag, 24.11.2022
Die Sowjetunion ist tot – lang lebe Estrada! Sonic statecrafting in Usbekistan
Um seine post-sowjetische Unabhängigkeit klanglich zu repräsentieren, hat Usbekistan eine überraschende Wahl getroffen: Mit dem Genre Estrada entschied es sich nicht nur für Mainstream-Pop, sondern auch für ein musikalisches Erbe der Sowjetzeit. Unter Präsident Islom Karimow wurden verschiedene staatliche Institutionen mit der Entwicklung und Kontrolle von Estrada betraut, und die Schaffung von milliy estrada – nationaler Estrada – als klanglicher Verkörperung der nationalen Unabhängigkeitsideologie bekam eine prominente Position auf der Regierungsagenda. Aber warum gerade Estrada? Anhand von Videoclips aus der Geschichte der usbekistanischen Estrada in der Sowjetzeit und seit der Unabhängigkeit geht dieser Vortrag den Gründen für die so außergewöhnliche wie enge Verflechtung von Pop-Musik und Staatspolitik in Usbekistan nach.
Donnerstag, 08.12.2022
Anarhija all over Baščaršija! Die Sarajevoer Rockszene der 1980er zwischen lokaler, nationaler und internationaler Selbstverortung
Die Rockszene der 1980er Jahre gehört zu den spannendsten kulturellen Phänomenen, die das sozialistische Jugoslawien hervorbrachte und viele der Bands dieser Zeit spielen bis heute eine bedeutende Rolle in der Erinnerung an das letzte Jahrzehnt vor dem Staatszerfall. Neben Ljubljana, Zagreb und Belgrad bildete auch das multikulturelle Sarajevo ein wichtiges Zentrum der Szene. Bands wie Zabranjeno Pušenje (Rauchen Verboten) verhandelten in ihren oft subversiven Texten gesellschaftliche und politische Themen doppeldeutig und mit viel Humor, wurden in den 1990er jedoch zum kulturellen Symbol für die durch den Nationalismus gespaltene bosnische Gesellschaft. Der Vortrag geht der Frage nach, wie sich die Bands der 1980er Jahre lokal, national und international verorteten, vergleicht die Szene mit denen in Belgrad und Zagreb und schliesst mit einem Ausblick auf die Geschichte der Bands in den 1990er Jahren.